Der Glaube und die Zukunft. Zur Frage der nichgegentständlichen Intentionalität
| docx | pdf | html ◆ přednáška, česky | německy, vznik: 6. 1. 1992 ◆ poznámka: pro Amsterdam, Dies academica

Der Glaube und die Zukunft. Zur Frage der nichtgegenständlichen Intentionalität

Jesus von Nazareth hat höchstwahrscheinlich das aramäische Wort, das wir verdeutscht „Glaube“ nennen (und das in den Evangelien durch das griechische Wort PISTIS übersetzt worden ist) absolut gebraucht, also ohne näher zu präzisieren, worin oder worauf geglaubt wird oder werden soll. Gerhard Ebeling hat uns auf diese Tatsache schon in den fünfziger Jahren aufmerksam gemacht, jedoch ohne damit tieferes Nachdenken, Denk-forschen oder gar Denk-experimentieren hervorzurufen, mindestens inwieweit ich darüber informiert bin. Das ist der erste Punkt, in dem ich einen vorteilhaften Anfang unserer Betrachtungen sehe. Und der zweite Punkt, an welchen ich in einem anderen Sinne anknüpfen will, ist Bonhoeffers Gedanke einer nichtreligiösen Deutung der theologischen Begriffe, unter denen er auch den Glauben nennt. Daraus ziehe ich folgende Konsequenzen: es ist durchaus legitim über den Glauben nachzudenken als über ein von jeder Religiosität prinzipiell unabhängiges Phänomen, d. h. welches beschrieben und untersucht werden darf, ohne das Wort „Gott“ zu benützen. Das ist äußerst bedeutsam für die Möglichkeit dieses Phänomen einer umfangreichen philosophischen Untersuchung zu unterwerfen, weil sonst unmöglich wäre es anders zu unternehmen als entweder im Rahmen einer Religionsphilosophie oder im Rahmen einer philosophischen Theologie, was beides für mich als verfehlt erscheint. Religionsphilosophisch kommt man zum Glauben von außen her, und das is gerade in diesem Falle ein unüberwindbarer Nachteil; und philosophische Theologie betrachte ich als philosophisch unakzeptierbar und gar illegitim, mindestens für die Denkepoche, in der wir immer noch verankert bleiben, ob wir es wollen oder nicht. Und das ist die Epoche des vergegenständlichenden oder einfacher des gegenständlichen Denkens.

Worin besteht das Wesen der vergegenständlichenden Tendenz des philosophischen und durch Philosophie beeinflußten Denkens? Es hängt engst zusammen mit der Begrifflichkeit des Denkens der ersten griechischen Denker, und das heißt mit der epochalen Erfindung der Begriffe und der in ihnen und durch sie sich jahrhundertelang durchsetzenden europäischen Begrifflichkeit. Das ältere, dh. vorbegriffliche Denken war noch vollkommen unabtrennbar von der mythischen Narrativität, d. h. von den Sprachakten. Das laut ausgesprochene Wort war noch imstande die benannte Wirklichkeit in die aktuell gelebte Situation hineinziehen, und zwar nicht nur „subjektiv“, wie wir es heute verstehen, sondern sozusagen „wirklich“, d. h. aktuell. Durch den Namen konnte man das Benannte oder eher den Benannten gegenwärtig machen durch die magische Macht des Wortes. Das Wort, nämlich der wahre Name, konnte z. B. einen Geist zum Kommen und Erscheinen zwingen; die Kenntnis dessen Namen gab dem Kennenden eine gewisse Macht über den auch mächtigen Geist. Gerade damit machte die Erfindung der Begriffe ein Ende. Es ergab sich, daß es zwischen dem eine Wirklichkeit benennenden Wort und diser Wirklichkeit selbst eine Zäsur, einen Abstand gibt, den man gerade mit dem Begriff vertiefen und verfestigen kann. Schon die alten griechischen Philosophen wußten in gewisser Hinsicht darüber und haben das vielbedeutendes Wort LOGOS dafür benutzt, um das vermittelnde Glied oder vielleicht besser Medium zu benennen. LOGOS hieß ursprünglich das Sammelnde, das „Lesende“ (wie wir es in den Wortverbindungen wie Weinlese, Holzlese usw. finden können), das Zusammenbringende, also wenn wir es weiterführen dürfen: das zur Einheit, zum Ganzen Integrierende. So was finden wir nicht nur bei Heraklit, sondern noch bei Aristoteles (unter anderen Wortbedeutungen).

Was den Griechen jedoch nicht einleuchtete, das wurde wirklich klar erst seit Anfang unseres Jahrhunderts, natürlich nicht ohne vorläufig unternommenen Analysen und Untersuchungen älterer Denker. Seit Husserls Logischen Untersuchungen sollte jedem Philosophen der Unterschied zwischen dem Begriff und dem sg. intentionalen Gegenstand (bei Husserl Objekt) klar sein. Am einfachsten ist es bei den geometrischen Bildern zu zeigen. Der Begriff eines Dreiecks hat begreiflicherweise keine Ecken, keine Seiten usw. , aber der Dreieck als iontenionaler Gegenstand hat alle solche Eigenschaften, natürlich nur intentional. So ist es auch mit der berühmten Fünf-Mark-Münze am Anfang Heidegger´s Wesen der Wahrheit, wo die Adäquationstheorie der Wahrheit kritisiert wird. Ohne Weiteres geben wir zu, das der Gedanke oder der Begriff einer solchen Münze keineswegs der wirklichen Münze ähnlich ist. Wichtig ist jedoch, daß es dagegen eine bedeutende Ähnlichkeit, und das heißt Adäquation, zwischen der wirklichen Münze gibt und der als intentionaler Gegenstand, dh. als unser Denkmodel, unsere Denkkonstruktion gedachter, gemeinten Münze besteht.

Alles, was wir in folgenden Betrachtungen daraus zu behalten brauchen, ist die Tatsächliche Mitarbeit, also Synergie der Begriffe und der intentionalen Gegenstände. Unter jedem Wort steckt nicht nur ein einziges solches Paar, sondern eine ganze Herde, eine ganze Familie mehrerer solcher Paare, und zwar auf der begrifflichen Seite verschidener Allgemeinheit. (Intentionale Gegenstände sind jedoch nie abstrakt, sondern immer konkret.) Welches Paar mit dem aktuell ausgesprochenen oder geschriebenen Wort gemeint wurde, muß sich erst aus dem aktuellen, sowie mit dem sonst mitintendierten Kontext herausstellen und klarmachen. Das wesentliche besteht darin, daß jeder intentionale Denkmodel gerade als Gegenstand gemeint wird, und daß notwendigerweise auch die durch ein gewisses Paar Begriff-Gegenstand gemeinte, dh. intendierte Wirklichkeit gerade als realer Gegenstand vorgestellt und gedacht Wird. Das kann uns unter gewissen Bedingungen fast vollkommen befriedigen, wenn es sich um alltägiche Angelegenheiten handelt, die keine weittragende Folgerungen haben oder von deren weittragenden Folgerungen wir noch nichts wissen. Es ist etwas ähnliches wie mit der euklidischen Geometrie, die auch ganz nützlich sein kann, wo es sich um alltägliche irdische Quantifikationen handelt, die jedoch ganz versagt, wenn wir zu kosmischen Dimensionen herbeitreten. Im Falle des gegenständlichen Denkens ist jedoch die Situation einerseits noch komplizierter, anderseits versagt das vergegenständlichende Denken in wichtigen Zusammenhängen auch und gerade in unserem menschlichen Leben und Verhalten, und gerade fatal in unserem Denken, welches sich zum Ganzen bezieht oder beziehen will.

Auch in unserem alltäglichen Leben und Denken kommen und bleiben wir immer im Kontakt mit Wirklichkeiten, die entweder nicht nur ihre gegenständliche Seite für uns haben, sondern auch ihre nichtgegenständliche Seite, die zumal viel wichtiger ist denn die gegenständliche. Wir können das Wort „konkret“ in seiner usprünglichen Bedeutung benutzen: es stammt von „concresco“, d. h. zusammenwachsen. Alle konkrete Wirklichkeiten sind also Konkretionen, d. h. sind zusammengewachsen, zusammengebildet aus dem Gegenständlichen, sowie aus dem Nicht-gegenständlichen. Reine Gegenständlichkeiten gibt es zwar für uns, aber sie stellen kein wirklich Seiendes oder wahr Seiendes vor. Nur bei ihnen ist das vergegenständlichende Denken relativ und begrenzt gültig. Es gibt dagegen wirkliches reines Nicht-gegenständliche, und da muß das vergegenständlichende Denken vollkommen versagen, weil es sich nicht einmal im begrenzten Maß nur für gegenständliche Aspekte dort gültig machen kann, wo es überhaupt nichts Gegenständliche zu finden ist.

Um einige Beispiele vorzuführen, erlaube ich mir drei Wirklichkeiten zu vergegenwärtigen, die nicht nur überhaupt nicht als gegenständlich zu begreifen sind, sondern gar nicht als etwas Seiendes. Ich werde mich hier äußerst kurz fassen, so daß ich gleich um Verständnis bitten muß, das ich nichts Näheres dazu erläutern werde, auch wenn es sehr behilflich sein könnte. Vor allem ist also ein jeder von uns zu nennen, wenn wir über rein Nicht-gegenständliches sprechen wollen. Entgegengesetzt zur lang tradierten von den alten Griechen stammenden dualistischen Vorstellung, daß der Mensch eine gewisse Einheit ist von Leib und Seele, und ganz ohne die strukturalistische und postmodernistische usw. (aber schon im alten Kant verankerte) Kritik der Subjekt-Vorstellung zu berücksichten, will ich über das Menschensubjekt neben seinem Körper (das immer nur hic et nunc da ist) und neben seiner PHYSIS (die zeitgemäß mit seinem ganzen Leben koextensiv ist) sprechen. Und gerade dieses Subjekt muß als verantwortlich für alle seine Aktivitäten gerade diesen Aktivitäten immer zeitlich vorausgehen. Die Richtung, in welcher wir dieses „voraus“ meinen, muß jedoch zeitlich in umgekehrter Richtung verstanden werden, also nicht zu dem gerichtet, was schon geschehen ist, d. h. in das Vergangene hinein. In einem solchen Falle wäre das Subjekt nur als Folge der vorausgehenden Taten zu verstehen, also überhaupt nicht als für sie verantwortlich. Wenn wir das Subjekt als für seine eigene Taten verantwortlich begreifen wollen, müsssen wir es als jede seine Tat, d. h. auch den echten Anfang jeder Tat zeitlich vorausgehendes verstehen, und weil jede Tat vor ihrem Anfang noch nicht ist, sondern erst aus der Zukunft her kommen, d. h. verwirklicht, aktuell durchgeführt werden muß, muß das Subjekt vor der Tat in die Zunkunft hin herausgebeugt oder herausgezogen „sein“ oder „werden“. Also „ist“ das Subjekt nicht als ein „Seiendes“ zu verstehen und konsequent auch nicht als gegenständlich, als objektiv. Jedes Subjekt ist ex definitione ein Non-objekt, also eine reine Nicht-gegenständlichkeit.

Das gilt aber nicht nur egozentrisch nur für jeden von uns, sondern auch für die Anderen. Wenn wir uns zu anderen Leuten als zu bloßen Objekten verhalten, dann verhalten wir uns unmenschlich und gegen-menschlich, antihuman. So gibt es in der Welt auch weitere Subjekte, mit denen wir rechnen müssen und die uns jedes bloß gegenständliche Verständnis oder Deutung der Welt im Ganzen als ungültig und unerträglich zum Erscheinen kommen lassen. Dazu kommt noch das notwendige Erkennen, daß es nicht nur humane, sondern auch subhumane Subjekte gibt und daß die Welt eigentlich voll von Subjekten ist. Und als Welt kann sie überhaupt nicht gegenständlich gedacht werden, weil sie nie zu unserem Gegenstand gemacht werden darf, nämlich weil sie uns nicht „begegnet“. Sie steht nie uns gegenüber, sondern sie ist für uns das Umgreifende, wie es Karl Jaspers in seiner Periechontologie zum Wort gebracht hat (in Anknüpfung an Heraklit). Die Welt selbst ist also ein zweites Beispiel für das Nicht-gegenständliche, wenn wir sie als ein Ganzes und nicht nur als „einen Haufen aufs geratewohl hingeschütterter (Dinge)" denken wollen, wie Heraklit es ausspricht (B 124).

Das dritte Beispiel erwähne ich nicht soviel für besseres Verständnis des Nicht-gegenständlichen, sondern um wieder zu unserem Hauptthema zurückzukommen und es weiter entfalten zu können. Hier soll uns als Beispiel einer reinen Nicht-gegenständlichkeit die Wahrheit dienen. Da müssen wir freilich einen prinzipiellen Unterschied machen zwischen jeder wahren Aussage und jeder wahren Tat usw. auf einer Seite, und der Wahrheit selbst auf der anderen. Über Wahrheit sprechen wir, wenn wir das Wahrsein alles Wahren und dessen Grund begreifen wollen. Die Wahrheit als Voraussetzung und Grund alles Wahren darf niemals und in keiner Hinsicht als ein Seiendes begriffen werden, und also auch niemals als ein Gegebenes, schon Gewordenes, als ein factum, sondern nur als fiens, als das, was uns ankommt und was uns anspricht. Erst durch unsere Antwort auf das uns auffordernde nicht-gegenständliche Wahre wird sie eventuell zum Wahr-seienden, aber nie so, daß es dann zu einer endgültigen Verkörperung der Wahrheit wird. Immer bleibt die Wahrheit als das vorherrschende und ankommende Nicht-seiende die letzte Instanz, die sich als letztgültig immer wieder und immer neu zeigt, ohne dabei irgendeinem auch gegenständlich Verwirklichten ihre aus der Zukunft herkommende Superiorität zu verleihen oder gar zu übergeben.

Bekanntlich gibt es ganze Bücher über verschiedenste Wahrheitsbegriffe und Wahrheitstheorien. Es gibt jedoch eine in solchen Büchern nie erwähnte, sehr alte, urpsrünglich jedoch außereuropäische und also nichtgriechische Tradition, die durch die ganze bisherige zweiundhalb Jahrhtausende dauernde Epoche des gegenständlichen Denkens nie vollkommen verstummte, nichts zu sprechen über deren Betäubung. Es war gerade diese Tradition, die maßgebend wurde in einer Periode der tschechischen Geistesgeschichte, nämlich besonders in der Zeit der sg. ersten Reformation, bei Hus und bei seinen Nachfolgern. Obzwar die Quelle, aus der die tschechische Reformation geschöpft hatte, auch schon früher mehrmals z. B. sowohl von den griechischen als auch den lateinischen Kirchenvätern zitiert wurde, kamen die zitierten Stellen wahrscheinlich erst bei Hus in seinen Predigten und anderswo so mächtig zum Wort und auch zu einem gesellschaftlichen Durchsetzen und dann bald in wenigen Generationen auch wieder zu einer Form nur oberflächlicher Aneignung und endlich zum inneren Verdorren des Gedankeninhaltes im allgemeinen Untergang und Verfall des ursprünglichen geistigen Aufstiegs. Die damals oft zitierten Stellen stammen aus dem 3. und 4. Kapitel des sg. „dritten Esdras“, oder auch des ersten apokryphischen. Dieses apokryphische Buch kennen wir nur in griechischer Version und die meisten Kommentatoren halten für höchstwahrscheinlich, daß es sich ursprünglich um den Text eines griechischen Autors handelt. Die zitierten Stellen werden von ihnen jedoch als eine jüdische Zugabe beobachtet und wir können darin eine polemische Absicht sehen.

Es handelt sich dort nämlich um eine polemische Alternative zur griechischen Wahrheitsauffassung, die die Wahrheit, d. h. ALETHEIA, als sich dem Wirklichen nach richtend verstehen wollte. Der besonders in einer geistig-revolutionärer Situation verstandene Sinn der zitierten Stellen (3,12; 4,35;38) läßt dagegen alles Gegebene und reell Wirkliche sich der Wahrheit nach richten müssen oder mindestens innerhalb der geschichtlichen Zeit richten sollen. Das ist die eigentliche Bedeutung der Worte, daß die Wahrheit mächtiger ist als alle Dinge und daß sie siegreich bleibt über Alles auf Ewigkeit. Offensichtlich kann man die Frage stellen, ob der jüdische Verfasser jener Formulierungen vollkommen im Klaren sein konnte, worauf es sich dabei handelt. Es konnte kaum mehr als ein Gefühl gewesen sein, eine vorgefühlte Abtastung der Unerschiede. Aber Eines mußte dann früher oder später klar bewußt werden: entweder ist das Seiende das letzte Maß des Wahrseins, und dann alles, was ist, ist wahr und gut, wogegen das Schlimme und Böse nur privatio boni ist und nichts mehr; oder gibt es eine letzte Instanz, ein letztes Maß, nämlich die Wahrheit als Voraussetung und Grund alles relativen Wahrseins sowohl in der Natur, als auch in der Geschichte, und nicht zuletzt auch im inneren eines jeden Menschen, das jedoch niemals zu einem gegenständlichen Maßstab werden kann und darf, mit dem irgendwelche irrdische Instanz ausgestattet werden könnte und mit der sie disponieren dürfte. Denn alles, was ist, geht früher oder später vorbei, alles, was angefangen hat, findet wieder auch sein Ende. Nur die immer neu kommende und in jeder Zeit lebende und auf Ewigkeit siegende Wahrheit behält ihre Überlegenheit, weil sie stets ankommt und nimmer zu einem Seienden wird, und deswegen auch mit keinem gegebenen Seienden indetifizierbar ist.

Jetzt müssen wir auch darin klar sein, daß im Hebräischen Wahrheit und Glaube fast identisch sind oder villeicht genauer gesagt daß sie sehr eng zusammen gehören. Es wurde schon mehrmals vorteilshaft formuliert, daß der Glaube im alttestamentlichen Sinne und da meine ich das Phänomen des Glaubens und nicht nur die Wortbedeutung eigentlich als das Sich-verlassen auf das wahrlich Verläßliche verstanden werden soll. Es gibt auch einen Nachteil dieser Formulierung, der darin besteht, daß wir alle immer noch geneigt sind das Beide falsch zu deuten, nämlich das sich Verlassen als einen nur subjektiven Akt von der menschlichen Seite, und dagegen das Verläßliche als etwas objektiv oder gegenständlich fest Gegebenes, also als ein Seiendes, mag sein sogar als ein summum ens zu verstehen. Gerade das ist jedoch schon eine hellenistische oder einfach griechische Umdeutung und wahrlich eine Verfälschung des ursprünglichen Sinnes der ganzen prophetischen Überlieferung. Wahrheit und Glaube gehören unzerteilbar zusammen, weil sich auf etwas nicht Verläßliches zu verlassen ist kein wahrer Glaube, und Wahrheit, auf die sich niemand verläßt, ist keine Wahrheit. Der Unterschied ist anderswo: auf einer Seite die Wahrheit=Glaube, auf der anderen der menschliche Glaubensakt, die auf dem Glauben gegründete und im Glauben verwurzelte Handlung (sowohl Praxis als auch Denken). Das Hauptproblem besteht also in der Frage, wie eigentlich die Wahrheit=Glaube zu einem Glaubensakt eines Subjektes (humanen oder subhumanen Subjektes) übergehen kann und wie es dann möglich ist von einer Wahren Tat oder über einen wahren Gedanken zu sprechen, wenn die adventive Wahrheit mit keiner konkreten Verwirklichung des Wahren, also mit keinem Wahrsein identifiziert werden darf. Gerade diese fundamentale Frage kann nicht einmal gültig gestellt und überhaupt nicht gelöst werden, ohne erst die Problematik der Intentionalität des Glaubens zu erörtern. Weil ich nur wenig Zeit dazu habe es gründlich durchzuführen, bitte ich Sie einigen wahrscheinlich zuviel dogmatisch klingenden Ausführungen gefälligst zuzuhören. Und ich werde mich auf die menschliche Ebene beschränken, obzwar ich sonst überzeugt bin, daß der Glaube aus gewissen sehr ernsten Gründen kosmologisch verstanden werden darf und sogar werden muß.

Der menschliche Glaubensakt ist wie jede Aktivität ganz allgemein intentional strukturiert, d. h. daß er sich in seinen Intentionen zu „etwas Anderem“ verhält als zu sich selbst oder zu seinem eigenen Subjekt (es gibt doch keine Aktivität und keine Aktion ohne von einem Subjekt oder mehreren Subjekten hervorgerufen zu sein und ohne mindestens zum Teil zu ihrem eigenen Subjekt wieder zurückzukehren, es zu beeinflussen und zu verändern). Der ernste Fehlschritt, den schon die ersten Christen im Verständnis des Phänomens des Glaubens begangen haben, besteht in einer fatalen Vertauschung der gegenständlichen Intention des menschlichen Glaubensaktes mit seiner nicht-gegenständlichen, unvergleichbar prinzipiellen oder fundamentalen nicht-gegenständlichen Intention. Die gegenständliche Intention ist auf eine gewisse Veränderung eines gegebenes Zustandes orientiert z. B. auf eine konkrete Genesung, auf eine gewisse Verlagerung eines gegebenen Berges ins Meer usw. wogegen die nicht-gegenständliche, viel wichtigere Intention in einer anderen, jedoch nicht-gegenständlichen Wirklichkeit verankert und von ihr, oder noch genauer: von derer ihr eigenen auch nicht-gegenständlich orientierten Intention, abgeleitet und durch sie wirklich begründet ist. Gerade in diesem Sinn ist die traditionelle Aussage der Kirche über den Glauben als einer Gabe vollkommen richtig. Das Empfangen dieser Gabe und ihre Aneignung ist jedoch schon unsere menschliche Tat oder ist mindestens mit unserer Tätigkeit tiefst verflochten, und so fällt sie unter das Maß und unter das Gericht der letzten Instanz, in derem Licht sich alles als wahr oder falsch zeigen muß.

Das Sich-verlassen auf diese letzte Instanz ist immer auch unsere menschliche Tat, und das heißt, daß es in gegebenem Einzelfall immer auch falsch sein kann. So sind wir in jedem Einzelfall immer in Gefahr, daß wir uns verfehlen können und das wir auf einen Irrweg geraten werden. Deswegen gibt es auch kein wirkliches, das heißt kein wahres Sich-verlassen auf das Wahre und auf die Wahrheit, das herausgerissen wäre aus der eigenen Lebensgeschichte, aus der gegenwärtigen Geschichte der Gesellschaft und der Kirche, und last not least aus der ganzen bisherigen Geschichte der Kirche und der europäischen Gesellschaft, und zu hohem Grade auch des alten sowie noch des heutigen Israels. Nur in dieser geschichtlichen Orientierung gibt es eine auch menschlich unternehmbare und menschlich überprüfbare Versicherung, daß wir nicht endgültig unseren wahren Weg verlieren werden, sondern daß wir auch nach vielen Fehlschritten immer wieder, früher oder später, diese Fehlschritte im wahren Licht erblicken werden. Die Wahrheit ist nicht deswegen verlässlich, daß wir sie in jedem Augenblick sehen oder hören werden, nur wenn wir es wirklich wollen werden, sondern daß sie zum Wahrsein zeigt und führt, das trotz aller Verschiedenheit der Situationen, der Personen, der Ereignisse nicht chaotisch, nicht zersplittert, nicht a-logisch unsere Antworten und Reaktionen herausfordert. Obwohl sie sich immer wie in persönlicher Weise auf verschiedene Adressaten nicht-gegenständlich wendet, ist es immer dieselbe, jedoch nicht unveränderte, weil doch nicht-seiende, sondern ankommende und also lebendig sich zu den Menschen und zu allen anderen Subjekten verhaltende Wahrheit.

Also erscheint jedes wahre Sich-verlassen auf die Wahrheit als auf das allein Verläßliche, als ein Orientiert-sein in die Zunkunft hin, woher uns dieses allein Verläßliche ankommt. Es ist aber zugleich eine neue Art des Orientiert-seins auf das schon Gewesene, weil nur in in unserem Sitz in der Geschichte, d. h. in einer aktuell gewordenen Situation, die ihren Sinn nicht in sich selbst trägt, sondern nur im geschichtlichen Kontext erwirbt, kann das Zukünftige zusammen mit dem sich schon einmal Ereigneten und jetzt neu im wahren Licht des wahr Ankommenden wirklich zum Wort kommen. So eröffnet sich uns die Möglichkeit die Glaubensorientierung als Orientierung in die Zukunft hin und auf das eigentlich und ausschließlich Verläßliche, das nicht nur aus der Zunkunft kommt, sondern alles Ankommen verschiedenster nicht-gegenständlicher Herausforderungen ermöglicht und auch die Zeit uns gibt auf diese Herausforderungen zu antworten. Diese immer kommende Zukunft ist nicht nur das eigentliche Wunderbare in dieser Welt, sondern es ist auch bis zum jüngsten Tag die feste Basis für alle Taten und Aktivitäten im Rahmen unserer Welt, d. h. im kosmischen Rahmen. Sich auf das Noch-nicht-Gegebene, aber im Lichte der Wahrheit als wahr sich Ereignende uns Ankommende verlassen, heißt also durch den Glauben und im Glaube sein eigenes Leben umgestalten. Hier ist keine Vergegenständlichung des rein Nicht-gegeständlichen geduldet. Und weil es eigentlich überhaupt nicht wichtig ist, ob wir über Gott sprechen oder über Wahrheit, über den Weg und das Leben oder über die absolute Zukunft, ist es nicht so viel wichtig, welches Wort benutzt wird, sondern wie es benutzt wird. Solch ein Wort darf nur als ein Hilfswort beobachtet werden und sicher kein Eigenname. Deswegen ist auch immer noch jedes gegenständliche philosophische Aussagen über Gott oder über Wahrheit gleichermaßen untersagt. Philosophische Theologie sowie philosophische Alethologie ist philosophisch nicht legitim, insoweit wir immer noch in der Tradition des gegenständlichen Denkens versunken.

Anders sieht die Situation aus im Falle philosophischer Untersuchungen des Phänomens „Glauben“, nur wenn wir den Glauben als den menschlichen Akt verstehen und ihn nicht mit dem Glauben=Wahrheit vertauschen. Als jeder menschliche Akt kann auch der Glaubensakt philosophisch reflektiert werden. Aber das gehört wieder in einen anderen Zusammenhang, obzwar gerade Reflexion mit dem Glauben tief zusammenhängt. Sie stellt aber doch ein ganz anderes Phänomen vor und so auch ein neues Thema.

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Víra a budoucnost. K otázce nepředmětných intencí

(Přípravné poznámky)

01

Akt víry, který musíme odlišovat od aktu reflexe víry, znamená „spolehnutí na spolehlivé“. V aktu víry se však ono spolehnutí neorientuje přednostně na to, co „jest“, protože všechno, co jest, pomíjí. To, co pomíjí, musí být přiměřeně vzato na vědomí a respektováno, ale spolehnutí na ně nemůže být chápáno jako víra, neboť tu chybí ona spolehlivost spolehlivého. Pravým způsobem se lze spolehnout pouze na to, co není „jsoucí“, tj. pouze na to, co přichází. Trendy a setrvačnosti v pravém slova smyslu nepřicházejí, nýbrž přesahují do budoucnosti z minulosti, tedy z toho, co tu už bylo a co přetrvává nebo dokonce stále ještě nabývá na mohutnosti. O skutečném přicházení lze mluvit jen tam, kde se ze samotné „pravé“ budoucnosti vynořuje něco, co tu ještě nebylo. Zároveň si však musíme hned od počátku klást otázku, zda opravdu všechno, co přichází z „pravé“ budoucnosti, je vskutku také samo „pravé“, tj. vskutku spolehlivé. A také druhou otázku, jak je vlastně možné, aby z minulosti něco přetrvávalo.